Fake News über die Luftqualität in Stuttgart
Veröffentlicht am: 19. November 2017

Seit Jahren ist die Luftqualität in Stuttgart ein Thema, und eine Messstelle liegt meist besonders hoch. Von der EU bis hin zu Lokalpolitikern und Gerichten wird diskutiert, was zu tun ist. Die gesamte Automobilindustrie wird einmal „auf links gedreht“. Man müsste eigentlich davon ausgehen, dass die Grundlage der Diskussion – die Messwerte – seriös ermittelt wurde.

Die Stuttgarter Zeitung berichtet natürlich regelmäßig über die Situation. Leider nicht korrekt, wie Prof. Dr. Achim vom KIT in einem lesenswerten Aufsatz beschreibt. Sie finden ihn HIER.

Für die Schnellleser hier die Zusammenfassung:

Der empfohlene Maximalwert der WHO für Feinstaub (PM 10) beträgt 20µg/m^3 im Jahresmittel. Der an dem Tag gemessene Wert beträgt 28,9 µg/m3. Man könnte also interpretieren: eine sehr genaue Messung (auf eine Nachkommastelle genau) und fast 50% über dem Grenzwert. So zumindest suggeriert es die Stuttgarter Zeitung.

Die Wahrheit – und so argumentiert Prof. Dittler berechtigterweise – ist eine andere: Der verwendete Sensor ist für diese Aufgabe so nicht geeignet. Er ist Teil eines Projektes, um zusätzlich zu den offiziellen und genauen, aber teuren Sensoren noch mehr Messwerte „in der Fläche“ zu bekommen. Eigentlich ist es aber ein PM 2,5-Sensor, der auch PM10 messen kann. Die Messunsicherheit beim Betrieb von 25 bis 50% relative Luftfeuchtigkeit beträgt 10 µg/m^3, also „Grenzwert +/- 50%“. Bei den aktuellen Bedingungen von weit über 50% relativer Luftfeuchtigkeit (vulgo „Nebel“), ist der Betrieb des Sensors vom Hersteller nicht empfohlen.

 

Warum? Weil die Nebeltröpfchen als Partikel mitgezählt werden. Dass dadurch eine viel höhere scheinbare Luftverschmutzung entsteht, ist auch für Nicht-Ingenieure einleuchtend.

Ist das nicht irre? Man setzt einen kostengünstigen Sensor ein, von dem man weiß, dass er nur bis zu einer gewissen Luftfeuchtigkeit messen kann. Und tut auch außerhalb dieses Bereiches so, als wäre alles in Ordnung. Jede Bachelorarbeit würde bei einem solchen Verstoß gegen die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens mit „ungenügend“ bewertet werden.

Und dann kommt die Zeitung, schreibt ohne Nachzudenken darüber, die Leute plappern es nach und am Ende beschließen die Politiker und die Gerichte, dass die ganze Automobilindustrie böse ist. Dabei war es nur neblig und jemand wollte bei ein paar Sensoren sparen.

Ich bin ja schon ein Freund der Pressefreiheit. Aber nur, wenn die Redakteure sich auch Ihrer Verantwortung stellen.

Vielleicht kann man das nicht erwarten. Aber wäre es nicht wenigstens eine gute Idee, wenn unsere Regierung unsere Wissenschaftler nicht nur bezahlen, sondern ihnen auch zuhören würde?

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