Liebe alle,
ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich pauschal und bei jeder Gelegenheit über den größten Anbieter von Elektromobilität hierzulande beschweren: die Deutsche Bahn. Ich fahre gerne Bahn, bin überzeugter Bahncard-50-Besitzer und kann wunderbar im Zug arbeiten. Gestern habe ich aber mal wieder ein Abenteuer erlebt.
Meine Abfahrt nach Köln war für 04.39 Uhr geplant. Ankunft: 08.05 Uhr, 55 Minuten vor meinem Termin. Als ich um kurz vor vier Uhr beim Zähneputzen auf die App geschaut habe, wurde klar: Abenteuer. 40 Minuten Verspätung. Ich also nochmal zurück ins Bett, halbe Stunde gedöst, dann auf zum Bahnhof. Dort festgestellt, dass die Verspätung mittlerweile auf eine Stunde gewachsen war. Und weil dann natürlich der ganze Ablauf durcheinander war, waren wir um halb zehn in Köln.
Rückfahrt: Abfahrt 15.55 Uhr, Direktzug mit Ankunft um 19.10 Uhr. So der Plan. Realität: zwei Mal umsteigen, Ankunft um 21.35 Uhr.
Ich sage Ihnen: Harley-Fahrer hören „Born to be Wild“ von Steppenwolf, weil es zu ihrem Lifestyle passt. Bahn-Fahrer hören die Eagles. „Take it Easy.“ Weil ihnen nichts anderes übrigbleibt als Gelassenheit zu üben.
Die unerwartet lange Bahnfahrt hat mir die Gelegenheit gegeben, zu lesen, was gerade so passiert. Zum Beispiel, wer gerade den größten Beitrag zur Energiewende leistet.
Bitte lesen Sie nicht weiter, wenn Sie die makabre Wahrheit nicht lesen wollen. Bitte hören Sie dann hier auf und löschen Sie die Email.
Sonst sage ich es Ihnen: Gazprom.
Gazprom hat die aktuellen Zahlen veröffentlicht. In Börsendeutsch heißt die Aussage, dass „die Nachfrage aus dem Ausland stark rückläufig“ sei. Man habe die Förderung drosseln müssen und konnte 40 Milliarden Kubikmeter weniger fördern (und verkaufen).
Für Aktionäre ist eine solche Nachricht schlecht. Für die Energiewende ist sie jedoch optimal. Am Ende werden wir Net Zero (oder wie auch immer wir es bezeichnen) nur erreichen, wenn wir das Zeug im Boden lassen. Alles andere funktioniert nicht. 40.000.000.000 Kubikmeter Erdgas – das sind Dimensionen! Und das ist nur der Rückgang! Pro Kubikmeter emittiert Erdgas 2 kg CO2 an direkten Emissionen (dazu kommen noch die indirekten Emissionen, aber die lassen wir jetzt hier weg). Gazprom (oder die westliche Sanktionspolitik?) hat also in den ersten sieben Monaten des Jahres 80 Millionen Tonnen an direkten CO2-Emissionen eingespart. Natürlich muss man das genau betrachten, denn wenn wir das fehlende Erdgas mit Braunkohle kompensiert haben, haben wir das Gegenteil erreicht. Aber trotzdem: erstaunlich, oder? Nur schlimm, dass ein Krieg notwendig war, um so weit zu kommen.
Ein Blick in sämtliche Onlineshops für Balkonkraftwerke, PV-Anlagen und Batteriespeicher sagt: Ausverkauft. Überall. Alles.
Das ist gut. Photovoltaik ist gut. 55 Gramm CO2 pro Kilowattstunde Strom. Das deutsche Stromnetz hat 388 Gramm CO2 pro Kilowattstunde Strom. Ein Tag Kühlschrank – 200 Gramm CO2. Noch ein Tag – nochmal 200 Gramm. Ihr Leben lang: 86 Jahre * 200kWh/Jahr (bei einem aktuellen Modell) * 0,388 kgCO2/kWh (aktueller deutscher Strommix) = 6,7 Tonnen CO2. Sie sehen also: einerseits lohnt sich PV, andererseits müssten Sie 11,9 Millionen Jahre alt werden, um mit ihrem Kühlschrank so viel CO2 zu emittieren wie Gazprom in den letzten sieben Monat eingespart hat durch die Sanktionen.
Manchmal werde ich gefragt: „David, langweilst du dich ab und zu und berechnest Dinge, die völlig zusammenhanglos und irrelevant sind?“
„Ja, das kommt schon mal vor,“ antworte ich dann. „Vor allem, wenn ich im Zug sitze und die Durchsage kommt „Wir können leider nicht weiterfahren, da wir keinen Lokführer haben.““
Kurt Felix lässt grüßen.
Take it Easy.
David Wenger
PS: Morgen machen wir ein hammergutes interaktives Webinar zu „Bierdeckelrechnungen“ rund um die Energiewende. John Poljak hat eine riesige Sammlungen an Online-Berechnungswerkzeugen, um alle Fragen zumindest „pareto-genau“ in wenigen Minuten zu beantworten. Sie können Ihre Fragen, Ideen und Annahmen mitbringen, John liefert Ihnen die Antworten. Kostenlos. www.mission-hydrogen.de